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5. Nov 2020

Aktuelle Probleme unseres Ernährungssystems:

Landwirtschaftliche Produzenten erhalten zu wenig von dem Gewinn.

Im Handel mit Lebensmittel führen unfaire Praktiken immer weiter dazu, dass die Landwirtschaft nur wenig von dem Erlös des verkauften Endproduktes erhält. In Europa ist das demnach nur 23%, wobei der Handel 53% des Gewinnes erhält. Folgen davon sind schlechte Arbeitsbedingungen und niedrig Löhne für die Arbeiter*innen der Landwirtschaft 1, 2, 3

80% des verzehrten Obstes in Deutschland kommt aus dem Ausland.

Wenn man sich in einem deutschen Supermarkt umguckt, ist mindestens jede zweite Möhre und jeder zweite Apfel aus dem Ausland. Gemüse und Obst kommt vor allem aus Holland, Spanien, Italien aber auch aus Argentinien, Israel und Ägypten 4. Diese hohe Zahl an importierten Lebensmitteln ist fatal, da Importware im Vergleich zu einheimischen Produkten rund 11-mal mehr Energie verbraucht und Co2 ausstößt. Würde man nur die Lebensmittel importieren die in Deutschland aus klimatischen Gründen nicht wachsen ( z.B. Mango, Kakao, Kaffee), könnte man 22% der Emissionen sparen 5,6

Fleischkonsum in Deutschland ist um 1/3 mehr als der Durschnittsverbrauch weltweit.

In Deutschland liegt der Fleischkonsum bei rund 60 Kg pro Kopf und Jahr. Dabei gehört Fleischverzehr mit rund 20% zu einer der größten Verursacher der Treibhausgasemissionen. Diese hohe Bilanz entsteht einerseits direkt durch das Treibhausgas Methan, welches aus den Mägen von Rindern freigesetzt wird, aber auch indirekt durch das Abholzen von Waldflächen zur Futtergewinnung7,8

Lediglich 12% der Landwirtschaftlichen Betriebe sind Biohöfe, die restliche Landwirtschaftliche Produktion ist konventionell. 

Bei der konventionellen Landwirtschaft werden häufig Pflanzenschutzmittel benutzt, so sind auf Obst und Gemüse in deutschen Supermärkten bei rund 80% Pestizid-Rückstände enthalten. Diese Pestizide schützen die Nutzpflanzen vor Krankheiten und fördern so den Ertrag, aber sie bieten auch eine Gefahr für Vögel und Säugetiere, das Ökosystem und bedrohen Insekten durch erheblichen Lebensraumverlust 9,10.

Die Verengung von Fruchtfolge hat fatale Auswirklungen auf die Pflanzen und Umwelt.

In Deutschland gibt es kaum Monokulturen im konkreten Sinne, dass nur eine Pflanzenart über Jahre hinweg auf dem gleichen Feld angepflanzt wird. Allerdings ist eine zunehmende Verengung der Fruchtfolgen seit mehreren Jahrzehnten festzustellen. Dies führt zu mehr Pflanzenschädlingen und Pflanzenkrankheiten, mehr Pestizid- Einsatz und schließlich mehr Resistenzen und Ertragsbußen. Monokulturen und Verengung der Fruchtfolge führen außerdem zu Erosionen und Nährstoffverarmungen des Bodens und damit zu weiteren Ertragsbußen und Klimaschäden 11,12,13,14.

Jedes Jahr werden allein in Deutschland circa 11 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. 

Die Ursachen für die enorm hohe Lebensmittelverschwendung liegt in allen Bereichen der Lebensmittelkette. Viele Erzeugnisse werden bereits in der Landwirtschaft aussortiert oder bleiben auf dem Acker liegen, weil sie nicht den Vorstellungen des Marktes entsprechen. In der Industrie und auch beim Transport entstehen weitere Tonnen an Lebensmitteln, die durch falsche Lagerung oder technische Ursachen im Müll landen. Der Groß- und Einzelhandel sortiert ebenfalls Lebensmittel aus, welche nicht dem Standard entsprechen oder die sich dem Minderhaltbarkeitsdatum nur nähern. Und letztendlich sind wir Verbraucher*innen, die 55 Kilogramm pro Kopf und Jahr an Lebensmitteln die Tonne schmeißen, einer der größten Verursacher 15.

Lösungsvorschläge:

Agroforstwirtschaft als ganzheitliche Landnutzung.

Agroforstwirtschaft bedeutet, dass zwischen landwirtschaftlich genutzten Ackern oder Tierhaltungen Bäume heranwachsen. Diese Form der Landnutzung stärkt die Artenvielfalt sowie die Produktdiversifizierung (keine Monokulturen!), erhöht die Bodenfruchtbarkeit, verbessert die Grundwasserqualität und führt zu einer nachhaltigeren und umweltbewussteren Form der Landwirtschaftlichen 16.

Transportwege kürzen oder auf Schiff-/Zugtransport umsteigen.

Transportwege machen einen großen Teil der Co2-Bilanz in der Lebensmittelindustrie aus. Kommt ein Produkt aus der Region, so ist der Treibstoffverbrauch am niedrigsten. Zudem ist es Umweltfreundlicher die Lebensmittel per Zug anstatt per Auto, oder per Schiff, anstatt mit dem Flugzeug zu transportieren 17

Faire Löhne alle in der Wertschöpfungskette arbeitende Menschen.

Lebensmittel zu produzieren ist teuer! Würden Menschen in den Supermärkten mehr Geld für regionale, fair gehandelte oder Bio Produkte ausgeben, so könnten Produzent*innen mehr Geld investieren um ihre Angestellten besser zu bezahlen, die Qualität der Produkte zu steigern und umweltbewusster zu handeln.

Instore Farm – Supermärkte bauen Lebensmittel direkt im Laden an!

Es gibt bereits Pilot-Projekte, in denen es Urban Gardening in Supermärkten gibt – das nennt sich „Instore-Farm“. So fallen keine Lieferwege mehr an und es gibt keine unnötige Verpackung 18

Politische Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung.

Wenn Betriebe (Supermärkte, Gastronomie usw.) eine Strafe zahlen müssten sobald sie Essen wegschmeißen, würde ein Anreizsystem entstehen möglichst viele Reste zu verwerten oder die Bestellungen anzupassen. Zusätzlich können Lebensmittelreste weiterverwertet werden, indem Händler*innen oder Gastronom*innen die überschüssige Ware an die Tafel oder Foodsharing abgeben, und die Politik containern legalisiert.

Urban Farming und Gardening in Städten fördern. 

Urban Farming bedeutet, dass in Städten öffentliche Plätze oder Private Gärten, Balkons oder Terrassen dafür genutzt werden, um Lebensmittel anzubauen. Dies hat nicht nur den Effekt, dass Menschen aus Städten lernen Lebensmittel mehr wertzuschätzen, die zunehmenden Grünflächen haben auch Vorteile für die Artenvielfalt und verringert den CO2 Haushalt in Städten 19.

Tierische Produkte reduzieren oder vermeiden. 

Privathaushalte könnten einen großen Beitrag zur Reduzierung der Co2-Emissionen beisteuern – indem sie weniger Fleisch und tierische Produkte verzerren. Während ein regional produziertes Kilo Rindfleisch 13 730g Co2 ausstößt, sind es bei derselben Menge Obst oder Gemüse 27 mal weniger Co2, nämlich lediglich 503g 20.

Städte bilden Ernährungsräte! Das ist eine Möglichkeit ein nachhaltiges Ernährungssystem zu etablieren. 

Quellen:

  1. Deter, A. (09.05.2020), ‚Faire Arbeitsbedingungen: Runder Tisch Saisonarbeit in Brandenburg’, Top Agrar Online [online]. Verfügbar unter:  https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/faire-arbeitsbedingungen-runder-tisch-saisonarbeit-in-brandenburg-12056612.html (abgerufen: 04.09.2020)
  2. Friedrich, T.A. (02.07.2018), ‚Handel verdient auf Kosten der Landwirte‘, Top Agrar Online [online]. Verfügbar unter: https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/handel-verdient-auf-kosten-der-landwirte-9407591.html (abgerufen: 04.09.2020) 
  3. Gavrilis, P. (03.02.2020), ‚Unfaire Handelpraktiken sollen unterbunden werden‘, Deutschlandfunk [online]. Verfügbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/bauern-vs-supermaerkte-unfaire-handelspraktiken-sollen.766.de.html?dram:article_id=469380 (abgerufen: 04.09.2020)
  4. Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Statistisches Bundesamt. Daten von 2018
  5. https://nachhaltig-sein.info/privatpersonen-nachhaltigkeit/wirkung-von-lebensmittel-transporten-auf-umwelt-infografik
  6. https://nachhaltig-sein.info/privatpersonen-nachhaltigkeit/wirkung-von-lebensmittel-transporten-auf-umwelt-infografik
  7. https://www.dw.com/de/die-deutschen-und-das-fleisch/a-49947501
  8. https://www.greenpeace.de/themen/landwirtschaft/fleischeslust-was-das-stuck-lebenskraft-tatsachlich-kostet#:~:text=Vor%20allem%20Wiederk%C3%A4uer%20haben%20einen,Tomaten%200%2C2%20Kilo%20CO2.
  9. https://www.foodwatch.org/de/informieren/bio-landwirtschaft/zahlen-daten-fakten/#:~:text=in%20Deutschland%20gab%20es%202019,Bundesrepublik%20betrug%2010%2C1%20Prozent.
  10. https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/umweltschutz/pestizide/index.html
  11. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Pflanzenforschung/ Monokultur
  12. The Royal Society, Biology Letters: “Positive biodiversity–productivity relationships in forests”
  13. Interview: Jens Düring vom Bund der Forstleute, BDF
  14. Interview: Iris Barthel, Sprecherin NABU
  15. https://www.welthungerhilfe.de/lebensmittelverschwendung/
  16. https://agroforst-info.de/agroforstwirtschaft/
  17. (Quelle: https://www.swissveg.ch/transport#f2 nach «Food-Miles and the Relative Climate Impacts of Food Choices in the United States», Carnegie Mellon University in Pittsburgh USA, 16.4.2008)
  18. https://utopia.de/supermarkt-anbau-gemuese-31892/
  19. https://utopia.de/ratgeber/urban-farming-vor-und-nachteile-von-landwirtschaft-in-der-stadt/
  20. (Quelle: https://www.swissveg.ch/transport#f2 nach Pendos CO2-Zähler, Andreas Grabolle und Tanja Loitz, 2007.)

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