Gemeinschaftsverpflegung: Regional und saisonal aufstellen: Erfolgreiches Treffen im Oktober 2022 von Gemeinschaftsverpflegung und Erzeuger*innen – Hier die Pressemitteilung lesen!
Göttingen, 13. Oktober 2022
Am Mittwoch, 12.10., trafen sich im Neuen Rathaus Vertreter*innen der Gemeinschaftsverpflegung und regionale Erzeuger*innen, um gemeinsam auszuloten, wie mehr regionale Kost in der Gemeinschaftsverpflegung verwendet werden kann. Dazu eingeladen hatten der Ernährungsrat i.G., der Regionale Erzeugerverband Südniedersachsen e.V. und die Stadt Göttingen.
Das Ziel betreffend herrschte Einigkeit: Die Gemeinschaftsverpflegung soll so weit wie möglich regional, saisonal und ökologisch aufgestellt sein. Dafür gibt es bereits einige gute Beispiele. So beziehen die Küchenbetriebe der Stadt, die 30 Schulen verpflegen, bereits Kartoffeln, Milch, und teilweise Obst, Gemüse, Brot und Fleisch aus der Region. Ähnlich sieht es bei Vissers Fritze aus Moringen aus, die Kindertagesstätten in der Region versorgen. Die Bioküche Leinetal, die ebenfalls Kindertagesstätten und Kindergärten aber auch andere Kantinen bedient, setzt auf 100 Prozent Bio-Produkte, ein Großteil davon kommt aus der Region. „Wir müssen wieder lernen, mit Grundnahrungsmitteln zu kochen. In den Produktionsküchen der Stadt Göttingen wurden vor sieben Jahren noch über 3.000 Produkte verarbeitet – heute sind es etwa 300“, erläutert Anja Köchermann von den Küchenbetrieben der Stadt.
Dr. Anke Zühlsdorf, die an der Uni Göttingen zum Verbraucherverhalten für Lebensmittel und Agrarprodukte forscht, erläuterte eingangs, dass regional nicht zwangsläufig klimafreundlich bedeute. Der Ansatz müsse daher sein, dies mit dem Aspekt der Saisonalität zu verknüpfen. Dabei wurde angemerkt, dass es in diesem Zusammenhang wichtig sei, wieder mehr alte und lagerfähige Sorten anzubauen. Im Klimawandel lägen diesbezüglich große Herausforderungen wie Hitze- und Dürreperioden aber auch eine Chance für die Landwirtschaft, da sich die Anbausaison verlängere.
In der Diskussion wurde deutlich, wo die Herausforderungen liegen. „Bei den sehr dezentralen Strukturen in der Landwirtschaft hier bei uns in Südniedersachsen sind logistische Kooperationen und Einsparungen die größte Herausforderung“, erläutert Eberhardt Prunzel-Ulrich vom Regionalen Erzeugerverband Südniedersachsen. Gute Ansätze dies zu verbinden, bieten die Zusammenschlüsse Kostbares Südniedersachsen und die Fair-Bio-Genossenschaft. Ihr Ziel sei es Erzeugung, Verarbeitung, Vermarktung und Verbrauch so nah wie möglich zusammenzubringen. Derzeit fehle es aber noch an Strukturen wie Verarbeitungsbetrieben oder auch Logistikzentren wie Food Hubs.
Seitens der Gemeinschaftsverpflegung wurden auch fehlende Großmengen bemängelt sowie die Möglichkeit diese in der Region weiterzuverarbeiten, um sie direkt geschält und geschnitten kaufen zu können. Ein gutes Beispiel dafür sei der Schälbetrieb Freckmann, der es erlaube, fertig produzierte Kartoffeln aus der Region einzukaufen. Um die Planungssicherheit für regionalen Erzeuger*innen zu gewährleisten, drängt Zühlsdorf auf klare Absprachen: „Der Bedarf der Gemeinschaftsverpflegung muss an die Landwirtschaft kommuniziert werden. Und zwar verbindlich über mehrere Jahre.“
Einig waren sich die Teilnehmenden auch, dass das Essen auch die Akzeptanz bei den Kund*innen der Gemeinschaftsverpflegung finden muss. Daher sei es wichtig, Ernährungsbildungsangebote zu schaffen, die den Menschen wieder den Produktionskreislauf näherbringen und damit auch den Wert der Nahrungsmittel verdeutlichen. Einige gute Beispiele der Vernetzung und von Gemeinschaftsgärten gibt es dafür bereits in der Stadt und in der Ökomodellregion des Landkreises.
Dass wir heute nur etwa 15 bis 18 Prozent unserer Lebenshaltungskosten für die Ernährung ausgeben, sei nicht durchhaltbar, wenn Ernährung gesund, ökologisch und für die Erzeuger*innen wirtschaftlich sein soll. „Wenn die Preise steigen, muss das Essen für Kitas und Schulen subventioniert werden. Das geht nicht anders. Kinder sind unsere Zukunft“, erklärt Hermann Heldberg dazu.
Unter den Gästen waren auch Vertreter*innen der Marktschwärmerei oder des Bio-Lieferservice Lotta Karotta. Moderiert wurde die Veranstaltung von Lea Krispin. Eine solche Vernetzung herzustellen wurde als sehr gewinnbringend erachtet, um strategische Prozesse in Gang zu bringen. Es brauche dafür in Göttingen und der Region noch mehr politische und institutionelle Unterstützung, um das Thema strategisch zu bearbeiten. Die Gründung eines Ernährungsrats und die Erarbeitung einer Ernährungsstrategie mit ganz konkreten Maßnahmen, die sich an der niedersächsischen Ernährungsstrategie orientiere, wurden als denkbare Ziele ins Auge gefasst. In vielen anderen deutschen und europäischen Städten stehe das Ernährungsthema viel mehr im Fokus.